Agile Finance – Proaktives Cash Management: "Normal is over – Welcome to the world of disruption", so lautet eine Kernbotschaft aus dem AlixPartners Disruption Index 2023. Denn drei von vier der befragten CEOs sind der Meinung, dass ihr Unternehmen mit einer hohen Menge an Friktionen und Disruptoren konfrontiert ist. Gravierend dabei ist die Erkenntnis, dass nahezu die gleiche Anzahl der befragten Manager der Auffassung ist, dass ihrem Führungsteam die Agilität fehlt, um mit diesen Herausforderungen umzugehen. Die Pandemie zwang Unternehmenslenker, sich mit extremen Auswirkungen von exogenen Schocks auseinanderzusetzen. Wie sich herausstellte, war dies nur eine Generalprobe. Das heutige Geschäftsumfeld ist öfter und mehr denn je durch exogene Faktoren gestört – eine Veränderung dieses Umstandes indes in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Für diejenigen, die entschlossen und schnell agieren, gibt es in Zeiten von multiplen und sich verstärkenden Krisen eine enorme Chance, fortführungsgefährdenden Effekten entgegenzuwirken oder sogar gestärkt aus dieser Situation hervorzugehen, mindestens jedoch den Anschluss an den Wettbewerb nicht zu verlieren.
Die Wahrheit liegt wie so oft – und in volatilen Zeiten umso mehr – in der Liquidität: Ausreichend verfügbare Liquidität ist nicht nur für den Fortbestand entscheidend, sondern auch ein Merkmal für Krisenresilienz und Stabilität. Nicht jedes Unternemen wird sich die deutlich gestiegenen Kosten für eine adequate Liquiditätsausstattung leisten können. Vor allem jetzt, in einem hochinflationären Umfeld mit steigenden Zinsen gehört das Thema auf die Agenda des Top-Managements. Hier zeigt sich, wie gut das Management und die einzelnen Funktionen eines Unternehmens kooperativ auf "Einschläge" von außen reagieren und "Rissen" in der Liquidität vorbeugen können. Ein weiterer Nebeneffekt: Auch die Unterstützung durch Investoren und Finanzgläubiger fällt in unruhigen Phasen leichter, wenn durch das "Wissen, was, wann, getan werden muss, wenn es zu tun ist" Vertrauen geschaffen wird.
Allzeitbereit für den nächsten exogenen Schock durch End-to-End Szenarien: In unseren interimistischen Tätigkeiten in komplexen Situationen – nicht zuletzt in Zeiten von Pandemie, Energiekrise und geopolitischen Auseinandersetzungen – hat sich in der Zusammenarbeit mit unseren Klienten gezeigt, dass sich durch proaktives Management der Erfolg planbarer sicherstellen lässt. Darauf aufbauend, haben wir unsere Erfahrungen in drei wesentlichen Erfolgsfaktoren zusammengefasst:
- Screenen nach exogenen Schocks: Es verwundert
nicht, dass viele Unternehmen exogene Schocks unvorbereitet
treffen. Dies muss jedoch nicht so sein. Auch wenn eine Vorhersage
von durch externe Faktoren verursachte Extremsituationen nicht
immer akkurat möglich ist, kann ein Unternehmen durch
laufendes Screening des Umfelds relevante Szenarien ableiten. Daher
ist in einem ersten Schritt hin zum proaktiven Cash Management
erforderlich, sich mit potentiellen Risiken auseinanderzusetzen,
die die finanzielle Stabilität des Unternehmens stark
beeinträchtigen können. Die Integration von internen und
externe Datenquellen in einen adäquaten Risikoansatz und das
Verständnis über mögliche Auswirkungen auf
Liquiditätstreiber helfen herauszufinden, "was getan
werden muss, wenn es zu tun ist". Beispielsweise prüften
wir in einem unserer Retail-Mandate sehr frühzeitig auf Basis
zahlreicher externer Datenquellen, wie und wann sich eine
Ausbreitung von verschiedenen COVID-Varianten auf die
Öffnungen und Kapazitäten in einem globalen
Store-Netzwerk auswirken könnte. Dies bildete die Basis
für ein weiterführendes Szenario und stellte die
Grundlage für das frühzeitige Einleiten von
Mitigationsmaßnahmen.
- Identifizieren von Wechselwirkungen und Ableiten von
Maßnahmen: Nachdem im ersten Schritt durch das
Screening des Unternehmensumfelds ein relevantes Szenario
festgelegt wurde, ist im nächsten Schritt das klare
Verständnis erforderlich, inwieweit und vor allem wann dieser
exogene Schock die Liquidität des Unternehmens
beeinträchtigt. Im vorgenannten Mandat während der
COVID-Hochphase war schnell klar, dass Kundenumsätze in den
jeweiligen Regionen und damit die liquiditätswirksame
Einzahlung unmittelbar mit Eintritt eines möglichen Lock-Downs
beeinträchtigt sind. Proaktiv handeln bedeutete, mit den
bestehenden Erkenntnissen, die zum aktuellen Zeitpunkt beste
Entscheidung zu treffen und umzusetzen. In einem Szenario mit in
der Zukunft ausbleibenden Kundenumsätzen, sind bereits heute
liquiditätsfördernde Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Diese reichten unter Beachtung der nachhaltigen Wechselwirkungen im
genannten Fall von einem aktiven Management der Vorräte und
Bestellungen, das je nach Zahlungsziel erst zeitverzögert auf
die Liquidität wirkt, über mögliche Einsparungen in
den Investitions- und Marketingausgaben, bis hin zu Maßnahmen
im Personalbereich inklusive Kurzarbeit und sonstigen
Beiträgen von Stakeholdern (inkl. Lieferanten, Vermieter,
Finanzierer). Am Ende dieser beiden Schritte steht ein klarer
Maßnahmenkatalog mit eindeutigen Effekten, die sowohl
quantitativ als auch zeitlich auf die Liquiditätsentwicklung
einwirken.
- Etablieren einer Cash Culture: Der Schlüssel zum Erfolg in Extremsituationen liegt im Eingehen von Kollaborationen und der Übernahme von Verantwortung. Im proaktiven Cash Management nimmt die Finance-Funktion eine zentrale Rolle ein. Der CFO sorgt dafür, dass die cross-funktionale Zusammenarbeit mit allen relevanten Schnittstellen wie Risk Management, Einkauf, Vertrieb und HR sichergestellt ist. Zudem gibt er den Startschuss für den Austausch und das Verarbeiten von relevanten Daten, die für das Ableiten von Szenarien erforderlich sind. Das Treasury koordiniert den iterativen Prozess, angefangen mit dem Screenen der Unternehmensumgebung nach auf dem Geschäftsmodell basierenden, relevanten potentiellen exogenen Schocks bis hin zum Identifizieren von Wechselwirkungen und Ableiten von Maßnahmen. Ebenfalls treibt die Finance-Funktion das Implementieren der Maßnahmen, legt Verantwortlichkeiten gemeinsam mit den relevanten Schnittstellenfunktionen fest und verfolgt den Fortschritt.
Dieser auf drei Säulen basierende agile und iterative Ansatz stellt sicher, dass in schwierigen Zeiten, durch das frühzeitige und routinierte Implementieren von Liquiditäts-Maßnahmen, Zeit gewonnen und Stabilität erreicht wird, die wiederum für die Reaktion auf andere Disruptoren während multiplen Krisen erforderlich sind. Das heißt, ein plötzlich auftretender exogener Schock setzt agile Unternehmen nicht in "Schockstarre", sondern ermöglicht es, parallel auftretende Risiken zu bewältigen, sowie Chancen zu erkennen und zu realisieren.
Auch die Unterstützung durch Investoren und Finanzgläubiger fällt in unruhigen Phasen leichter, wenn durch das "Wissen, was, wann, getan werden muss, wenn es zu tun ist" Vertrauen geschaffen wird.
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